Keto-Hotspot Unterfranken

Im November 2022 erschien in Frontiers in Nutrition eine chinesische Studie, die die bibliometrischen Daten zu allen Publikationen mit dem Thema „Ketogene Diät und Krebs“ analysierte [1]. Eingeschlossen wurden insgesamt 500 Publikationen, die zwischen 1. Januar 2012 und 31. Dezember 2021 veröffentlicht wurden. Die Ergebnisse haben mich positiv überrascht, denn offenbar ist Schweinfurt ein weltweiter Hotspot was die Forschung zu diesem Thema betrifft.

Zunächst einmal sieht man aus untenstehender Abbildung (übernommen aus [1]) , wie sich die jährliche Zahl der Publikationen zu „Keto und Krebs“ seit 2012 entwickelt hat (A), und dass die Häufigkeit mit der solche Artikel von anderen zitiert werden, über die Jahre zunahm (B). Insgesamt bezeugen die Trends ein steigendes Interesse an dem Thema in der Wissenschaft.

Dann die freudige Überraschung: Die Analyse zeigt, dass meine Arbeiten zu dem Thema zu den zweithäufigsten und zweitmeist zitierten weltweit gehören. Nur Tom Seyfried hat mehr zu „Keto und Krebs“ publiziert. Auch PD Dr. Reinhart Sweeney, Leiter der Klinik für Strahlentherapie Schweinfurt, hat es in die Top 10 der Autoren auf Platz 5 geschafft.

Entsprechend rangiert das Leopoldina Krankenhaus weltweit auf Platz 8 was die Zahl der Publikationen zu „Keto und Krebs“ betrifft. An erster Stelle steht die Harvard Universität, gefolgt vom Boston College und dem Pennsylvania Commonwealth System of Higher Education, einem Verbund von vier Universitäten des US-Staates Pennsylvania.

Wahrscheinlich hätte es auch die Uniklinik Würzburg mit Prof. Dr. Ulrike Kämmerer in die Top 10 geschafft, wenn Li et al. [1] noch das Jahr 2011 berücksichtigt hätten. Damals erschienen nämlich zwei wichtige und vielzitierte Arbeiten: zum einen der weltweit erste Übersichtsartikel zu dem Thema „Keto und Krebs“, den Uli Kämmerer und ich bei Nutrition and Metabolism veröffentlicht hatten [2] und der – Stand 22.03.2023 – laut Google Scholar 293mal, laut Scopus 143mal zitiert wurde; zum anderen der relativ zeitgleich im selben Journal erschienene Artikel, der die Ergebnisse einer Pilotstudie von Uli Kämmerer und ihrem Team zusammenfasste, in der die Lebensqualität von fortgeschrittenen Krebspatienten unter einer ketogenen Diät untersucht wurde [3]; diese Studie wurde bis jetzt 371mal (laut Google Scholar) bzw. 181mal (laut Scopus) zitiert!

Etwas stolz können wir also die Region Würzburg-Schweinfurt als weltweites Forschungszentrum zu ketogener Diät und Krebs bezeichnen, was auch zu dem guten Abschneiden Deutschlands im Ländervergleich beigetragen hat (Deutschland auf Platz 2 hinter den USA und gefolgt von Italien) [1]. In Zukunft sieht es allerdings so aus, dass die Chinesen, die zum Zeitpunkt der Analyse auf Platz 4 rangierten,  bald Deutschland überholen könnten, denn ihr wissenschaftlicher Output auch zu diesem Thema steigt enorm.

[1]         Li R, Huang Q, Ye C, Wu C, Luo N, Lu Y, et al. Bibliometric and visual analysis in the field of ketogenic diet on cancer from 2012 to 2021. Front Nutr 2022;9:1060436.

[2]         Klement RJ, Kämmerer U. Is there a role for carbohydrate restriction in the treatment and prevention of cancer? Nutr Metab (Lond) 2011;8:75. doi:10.1186/1743-7075-8-75.

[3]         Schmidt M, Pfetzer N, Schwab M, Strauss I, Kämmerer U. Effects of a ketogenic diet on the quality of life in 16 patients with advanced cancer: A pilot trial. Nutr Metab (Lond) 2011;8:54.

Die Woche für Carnivoren!

An diesem Montag, dem 24. Oktober 2022, wurde mein neuer Artikel zur Notwendigkeit einer hohen Kohlenhydratzufuhr bei Neanderthalern in der Fachzeitschrift American Journal of Biological Anthropology veröffentlicht. Die Motivation, diesen Artikel zu schreiben,  erhielt ich durch einen anderen, ungefähr vor einem Jahr publizierten Artikel von Hardy et al., in dem die Autoren behaupten, dass Neanderthaler mindestens 50% ihrer Energie aus pflanzlichen Kohlenhydraten gewinnen mussten. Dabei berufen sie sich vor allem auf gängige Ernährungsempfehlungen und einen mutmaßlich hohen Kohlenhydratbedarf von schwangeren/stillenden Frauen sowie von Athleten, was meiner Ansicht nach sehr fragwürdige Argumente für ihre Behauptung darstellen. Stattdessen arbeite ich heraus, dass Neanderthaler sehr wohl Hypercarnivoren (>70% Energie aus tierischen Lebensmitteln) gewesen sein können, falls ihr Stoffwechsel auf eine niedrige Kohlenhydratzufuhr  und Ketose adaptiert war. In meinem Artikel präsentiere ich zudem Daten eines männlichen Rugby-Spielers, der sich vier Monate lang ausschließlich von tierischen Produkten ernährte und dabei keine Leistungseinbußen erlitt. Der Artikel kann über folgenden Link kostenlos gelesen werden: https://onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.1002/ajpa.24643

Nur einen Tag später erschien in den Proceedings of the National Academy of Sciences of the U.S.A. ein anderer Artikel, der meine Einschätzung weiter untermauert. Darin beschreiben die Autoren die Ergebnisse einer Isotopenanalyse des Zahnschmelzes eines Neanderthalers, welches in Spanien ausgegraben wurde. Insbesondere untersuchten die Autoren zum ersten Mal das Zink Isotopenverhältnis (66Zn/64Zn = δ66Zn) in Material eines Neanderthalers und fanden, dass es konsistent war mit einem Hypercarnivoren an der Spitze der Nahrungskette. Auch dieser Artikel kann kostenlos gelesen werden: https://www.pnas.org/doi/full/10.1073/pnas.2109315119

Wieder einen Tag später gab Dr. Shawn Baker bekannt, dass nun eine Studie startet, die untersuchen soll, wie eine carnivore Ernährung Menschen dabei hilft, ihre Medikamente abzusetzen und chronische Erkrankungen zu heilen. Die Studie möchte den Gesundheitszustand vor und nach der Implementierung einer carnivoren Ernährung anhand von Medikamenten und medizinischen Befunden erfassen. Ich weiß nicht, ob man auch außerhalb der USA an der Studie teilnahmen kann, aber unter diesem Link erfährt man mehr: https://revero.questionpro.com/a/TakeSurvey?tt=i3%2BmA1FC7AwECHrPeIW9eQ%3D%3D

Schließlich, wieder einen Tag später, wurde eine neue Fallstudie in der medizinischen Datenbank PubMed gelistet, die sich mit einer jungen Frau befasst, die sich insgesamt 47 Monate ausschließlich von Fleisch ernährte und damit ihren vulvovaginalen Pilzbefall heilte. Die Symptome verschwanden dabei bereits schon nach 43 Tagen. Auch diese Studie ist frei zugänglich und hier gelesen werden:  https://www.cureus.com/articles/119195-consuming-an-all-meat-ketogenic-diet-for-the-long-term-management-of-candida-vulvovaginitis-and-vaginal-hidradenitis-suppurativa-a-47-month-follow-up-case-report

Diese neuen Publikationen und der Start der neuen Studie von Dr. Shawn Baker sind ein Schritt in die richtige Richtung, um mehr Erkenntnisse über die evolutionären Wurzeln menschlichen Fleischessens und dessen gesundlichen Nutzens zu erlangen.

Sieben Tipps für ein gesundes Leben

Gerade hatte ich ein schönes Podcast Interview mit Dr. Shawn Baker, seines Zeichens Arzt, Athlet und Autor des Buches The Carnivore Diet. Gegen Ende fragte er mich nach Tipps, um möglichst die Entstehung von Krebs zu verhindern. Ich nannte vier wesentliche Punkte, die aus meiner Sicht wichtig sind: Chronischen Stress reduzieren, artgerechte Ernährung, körperliche Ertüchtigung und ein gutes Sozialleben. Im Nachgang fielen mir sofort noch drei weitere wichtige Punkte ein, so dass ich hier meine sieben Tipps für die Vermeidung von Krebs und ein gesundes Leben allgemein widergeben möchte:

  1. Dankbarkeit: Sei dankbar auch für die kleinen Dinge des Lebens, denn nichts ist selbstverständlich. Wenn Dir etwas unangenehmes zustößt, hilft der Zaubersatz, den Viktor Philippi geprägt hat: „Gott sei Dank ist es so und nicht schlimmer.“ Denn es könnte stets schlimmer sein.
  2. Reduktion von chronischem Stress: Die gleiche Situation kann bei zwei unterschiedlichen Menschen zu unterschiedlichem Stressempfinden führen. Deshalb soll man lernen, seine Denkmuster so zu ändern, dass chronischer Stress gar nicht erst entstehen kann. Auch hier hilft immer wieder der Satz „Gott sei Dank so und nicht schlimmer“. Meditation ist auch ein gutes Mittel.
  3. Artgerechte Ernährung. Ein weitgehender Verzicht auf industriellen Zucker und Getreide sind die wichtigesten Maßnahmen. Aber niemals sollte man sich selbst kasteien, sondern sich ab und zu etwas gönnen ist völlig in Ordnung – sei es das Stück Kuchen am Sonntag oder der berühmt-berüchtigte Cheat-Day.
  4. Körperliche Bewegung: Am wichtigsten ist nicht primär welche Art von Bewegung, sondern dass man sich bewegt! Optimal wäre eine lebenslange Mischung von Kraft- und Ausdauertraining.
  5. Verbindung mit der Natur: So oft es geht sollte man sich in die Natur begeben; auch eine bewusste Verbindung, sei es durch körperliche „Erdung“ wie beim Barfußgehen oder eine spirituelle Verbindung sind wichtig.
  6. Verbindung mit lieben Menschen: Man sollte lernen, viel Zeit mit den Menschen zu verbringen, die einem gut tun, während man den Kontakt mit den Menschen, die einem nicht gut tun, auf das Nötigste reduziert, ohne sich aber von diesen abzuspalten. Im Prinzip gehören alle Menschen auf der Erde zu einer großen Menscheitsfamilie. Versuche, den Menschen zu vergeben, die dich irgendwie verletzt oder gekränkt haben, auch wenn es schwer fällt und lange braucht.
  7. Verbindung zu Gott, was auch immer man darunter versteht (ohne hier explizit einen religiösen Gott zu meinen). Dazu zählt ein gewisses Vertrauen in das Leben, die Liebe zu allen Mitgeschöpfen und alle oben genannten Punkte, im vollen Bewusstsein was uns als Menschen gut tut.

Offener Brief von Wissenschaftlern gegen Impfpflicht

Eine Impfpflicht mit Covid-19 Vakzinen ist nach derzeitigem wissenschaftlichen Kenntnisstand rechtlich und ethisch nicht begründbar.

Die von Befürwortern einer allgemeinen Impfpflicht vertretene Auffassung, dass die kollektive Impfung in der gegenwärtigen Situation alternativlos sei, ist nach derzeitigem wissenschaftlichen Kenntnisstand unhaltbar. Es gibt keine den üblichen Standards folgenden wissenschaftlichen Daten, die belegen, dass die Impfung für jede Bürgerin, jeden Bürger unabhängig von Alter, Geschlecht, Vorerkrankungen oder anderen Faktoren mehr Nutzen als Schaden stiftet.

Weder liegen hierzu die üblicherweise in Zulassungsverfahren geforderten Daten aus randomisierten kontrollierten Studien noch aus epidemiologischen Kohorten mit hinreichender Qualität vor. Für große Gruppen der Bevölkerung gibt es überhaupt keine Evidenz für einen Nutzen, z.B. für gesunde Kinder und junge Erwachsene oder für Schwangere im ersten Drittel der Schwangerschaft. Dagegen ist ein Schaden nicht auszuschließen, sondern ist mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit sogar anzunehmen. Solche Gruppen zur Impfung zu nötigen, heißt von ihnen zu fordern, dass sie eine Körperverletzung hinnehmen. Die Frage, ob eine Impfung für eine konkrete Person sinnvoll ist oder nicht, verbleibt eine individuelle Entscheidung, die ggfs. nach Rücksprache mit einer Ärztin/Arzt des Vertrauens von jeder Bürgerin und jedem Bürger, bzw. von Eltern in eigener Verantwortung beantwortet werden muss. Die immer wieder postulierte »Notlage« ist hypothetisch und muss nach fast zwei Jahren in einem der bestentwickelten Gesundheitssysteme der Welt als unrealistisch betrachtet werden. Die scheinbare Begründung einer solchen Notlage durch mathematische Modelle führt in die Irre. Sofern trotz der in Deutschland verfügbaren Kapazitäten Versorgungsprobleme auftreten, ist vielmehr nach der politischen und organisatorischen Verantwortung zu fragen.

Dem Staat fehlt nach dem Vorgesagten jegliche wissenschaftliche, rechtliche und ethische Legitimation, sich über den Willen von Bürgerinnen und Bürgern hinwegzusetzen.

Neben der allgemeinen Impfpflicht wird die Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen wie Krankenhauspersonal, Beschäftigte in der Pflege etc. unter dem Gesichtspunkt eines erhöhten Schutzbedarfs vulnerabler Gruppen diskutiert. Die bisherigen Erfahrungen in der Bundesrepublik zeigen, dass nach einer gewissen Einschwingzeit am Anfang der Pandemie die professionelle Hygiene dieser Berufsgruppen ausreichend ist, Ausbrüche weitestgehend zu verhindern. Eine generelle Impfpflicht in diesen Berufsgruppen muss somit als unverhältnismäßig angesehen werden, auch und gerade vor dem Hintergrund einer Infizierbarkeit durch Geimpfte. Ein konsequenter Infektionsschutz erfordert bei entsprechender epidemischer Lage die Testung des Personals unabhängig von dessen Immunstatus, womit der Zusatznutzen der Impfung fraglich wird und eine Impfpflicht nicht gerechtfertigt werden kann.

Auch in dieser Situation hat der Staat nicht das Recht, die individuelle Entscheidung über die Impfung vorzuschreiben, da es niederschwellige Maßnahmen gibt, die den gleichen Zweck erfüllen.

Die Unterzeichner

Prof. Dr. Karl-Heinz Jöckel, Essen
Prof. Dr. Ulrich Keil, Münster
Dr. Angela Spelsberg, Aachen
Prof. Dr. Andreas Schnepf, Tübingen
Prof. Dr. Michael Esfeld, Lausanne
Prof. Dr. Paul Cullen, Münster
Prof. Dr. Bernhard Müller, Melbourne
Prof. Dr. Boris Kotchoubey, Tübingen
Prof. Dr. Tobias Unruh, Erlangen
Dr. Sandra Kostner, Schwäbisch Gmünd
Dr. René Kegelmann, Stuttgart
PD Dr. Stefan Luft, Bremen
Prof. Dr. Harald Schwaetzer, Biberach
Prof. Dr. Andreas Brenner, Basel
Prof. Dr. Wolfram Schüffel, Marburg
Prof. Dr. Anke Steppuhn, Stuttgart
Prof. Dr. Saskia Hekker, Heidelberg
Jun.-Prof. Dr. Alexandra Eberhardt, Paderborn
Dr. Henning Nörenberg, Malmö
PD Dr. Axel Bernd Kunze, Bonn
Prof. Dr. Henrieke Stahl, Trier
Dr. Jens Schwachtje, Nürtingen
Prof. Dr. Christin Werner, Dresden
Prof. Dr. Ole Döring, Berlin
Dr. Christian Lehmann, München
Prof. Dr. Thomas Sören Hoffmann, Hagen
Prof. Dr. Stefan Homburg, Hannover
Prof. Dr. Salvatore Lavecchia, Udine
Prof. Dr. Steffen Roth, La Rochelle und Vilnius
Dr. Jan Dochhorn, Durham
Prof. Dr. Günter Roth, München
Dr. Hans-Jörg Ulmer, Leinfelden-Echterdingen
Prof. em. Dr. Stephan Rist, Bern
Prof. Dr. Wolfgang Stölzle, Bazenheid
PD Dr. Rainer Klement, Schweinfurt
Dr. Matthias Burchardt, Köln
Prof. Dr. Eberhard Göpel, Bielefeld
Prof. Dr. Sven Hildebrandt, Dresden
Dr. Justine Büchler, Dresden
Prof. Dr. Martin Winkler, Winterthur
Dr. Agnes Imhof, Erlangen
Prof. Dr. Viktoria Däschlein-Gessner, Bochum
Prof. Dr. Jörg Matysik, Leipzig
Dr. Christian Mézes, Schwäbisch Gmünd
Dr. Mohamed Mahde Saleh, Bonn
Prof. Dr. Alexander Blankenagel, Berlin
Dr. Dana Sindermann, St. Gallen
Prof. Dr. Gerald Dyker, Bochum
Prof. Dr. Pietro Corvaja, Udine
Prof. Dr. Klaus Morawetz, Münster
Prof. Kerstin Behnke, Weimar
Prof. Dr. Christina Zenk, Trossingen
Prof. Dr. Friedrich Röpke, Heidelberg
Prof. Dr. Hardy Bouillon, Trier

Ernährung, Emotionen und Politik

Am Mittwoch, den 29. Januar, war ich als Referent eingeladen, beim jährlichen „Update Mammakarzinom“, das von Prof. Dr. Weigel im Leopoldina Krankenhaus veranstaltet wird, über das Thema „Ketogene Ernährung unter Tumortherapie?!“ vorzutragen. Eigentlich nichts besonderes, immerhin habe ich darüber schon oft geredet und kann die meisten Studien aus dem Gedächtnis zitieren. Besonders war allerdings die Tatsache, dass viele meiner Arbeitskolleginnen und -kollegen und natürlich auch viele Ärzte unseres Krankenhauses und der Umgebung anwesend waren, und ich darin eine Chance sah, mehr Interesse an der ketogenen Ernährung als komplementäre Tumortherapie und der dahinter steckenden Physiologie zu wecken. Doch es sollte tatsächlich ein besonderer Vortrag werden, der vielen noch lange im Gedächtnis bleiben wird.

Mein Ziel war, eine allgemeine Einführung in das Thema zu geben, ein paar Synergieeffekte mit Strahlen-, Chemo und zielgerichteten Therapien zu zeigen und unsere eigenen Zwischenergebnisse aus der KETOCOMP Studie vorzustellen. Der Vortrag kann hier heruntergeladen werden. Schon während dem Vortrag entstand im Saal vor allem in den hinteren Reihen ein Getuschel, das ich während dem Reden als gar nicht so stark wahrnahm, das aber nach späterer Aussage meiner Arbeitskollegen fast schon unverschämt laut war. Ich weiß nur noch, dass das Getuschel laut wurde, als ich Wilhelm Brünings‘ historische Studie [1] zur „kohlenhydratfreien Ernährung“ kombiniert mit hohen Insulingaben aus dem Jahr 1941/42 vorstellte.

Nach einem wissenschaftlichen Vortrag ist es normalerweise üblich, dass man ein paar Fragen aus dem Publikum zulässt und kurz über die dargestellten Daten und Hypothesen diskutiert. Ich freute mich schon auf Fragen, doch es kamen keine; stattdessen gingen einige sofort zum Angriff über. Ein Arzt am Leopoldina behauptete, er habe früher in Würzburg zusammen mit Ulrike Kämmerer gearbeitet und beide hätten sehr früh die Idee einer ketogenen Ernährung für Tumorpatienten fallen gelassen. Leider ein Eigentor, denn ich erwiderte, dass ich mit Ulrike befreundet sei und deshalb wüsste, dass sie sehr wohl noch an der ketogenen Ernährung forscht. Die nächste Attacke kam von einem Onkologen im Ruhestand, der zuerst einmal ausführlcih darstellte, wie lange er als Onkologe gearbeitet hatte und dass er neben dem Dr. med. auch ein Biochemiestudium absolviert hatte. Mir war klar: Alles was jetzt kommt muss der Wahrheit entsprechen, denn wie kann sich jemand, der Arzt und Biochemiker zugleich ist, irren? Das ist das Prinzip der Eminence-based Medicine! Und so spulte er – übrigens auch Schweinfurter Lokalpolitiker – einen fünfminütigen Monolog ab, der im wesentlichen aus fünf Kritikpunkten bestand, aber vom Stil her eher an eine Parteienwahlkampfrede auf dem Marktplatz, nicht aber einen wissenschaftlichen Disput erinnerte. Unter anderem kritisierte er das Ergebnis einer relativ neuen iranischen Studie [2], die ich vorgestellt hatte, welche einen Überlebensvorteil von neoadjuvant mit Chemotherapie behandelten und sich dabei ketogen ernährenden Frauen zeigen konnte putty download , als „nicht signifikant“, obwohl die Kaplan-Meier Kurven mit p=0,04 nominell signifikant verschieden waren. Auch stritt er jegliche Relevanz von präklinischen Studien und Einzelfallberichten für die Klinik ab, und behauptete, die ketogene Ernährung würde Patienten aushungern ohne aber den Tumor aushungern zu können, da man ihm nie die Glukose entziehen könne. Ich hatte übrigens mit keinem Wort behauptet, dass das Ziel einer ketogenen Ernährung das Aushungern des Tumors sei. Schließlich das Argument, es gebe keine Evidenz für die ketogene Ernährung bei Krebs (inzwischen mein Lieblingsargument, zu dem ich bereits einige Leserbriefe und Arbeiten verfasst habe [3–5]). Ich fragte ihn, welche Ernährung er denn Patienten empfehlen würde, worauf die Standard-Antwort (ich hätte mir die Frage auch sparen können) „eine ausgewogene Ernährung“ kam. Ich fragte, welche Studie denn Evidenz zu Gunsten einer „ausgewogenen Ernährung“ geschaffen hätte, doch dann meldete sich schon die nächste Stimme aus dem Publikum zu Wort: Eine Krankenschwester, die – ebenfalls in einem knapp fünfminütigen, sehr emotionalen Monolog – ihre Erfahrung mit kachektischen palliativen Krebspatienten wiedergab. Diesen hatte offenbar eine selbst verordnete ketogene Ernährung nicht mehr geholfen, obwohl sie sich „jedes Stück Sahnetorte“ verkniffen hatten und damit ihrer Meinung nach auch das letzte Stückchen Lebensqualität aufgegeben hatten. Ich erwiderte, es gebe eben gerade bei kachektischen Patienten einen „point of no return“, ab dem kein spezieller Ernährungsansatz den Krankheitsverlauf mehr umkehren könne, und dass mein Vortrag vor allem um die ketogene Diät als komplementärer Ansatz bei kurativem Behandlungsziel ging. Schließlich kam noch von irgendjemand der Vorwurf, das Internet würde Patienten falsch über sogenannte „Krebsdiäten“ informieren und auf eigene Faust durchgeführte ketogene Diäten in einer Mangelernährung enden. Ich konnte erwidern, Falschinformation im Internet sei heute ein allgemeines Problem, das nichts mit der ketogenen Ernährung an sich zu tun hat. Schließlich war ich froh, als mein Chefarzt Reinhart Sweeney das Wort ergriff und zur Mäßigung aufrief. Er stellte heraus, wie wichtig vor allem unsere KETOCOMP Studie für das Leopoldina Krankenhaus sei, da das Darm- und Brustzentrum auch von der Anzahl unserer Studienpatienten profitiere (als zertifiziertes Zentrum sollte man Studien durchführen) und da wir weltweit eines der größten Kollektive von sich ketogen ernährenden Patienten hätten.

Nach dem Vortrag kamen einige Zuhörer zu mir, die sich sehr positiv äußerten. Im Gedächtnis geblieben ist mir ein Pharma-Vertreter, dessen Sohn erfolgreich mit ketogener Ernährung eine starke Colitis Ulcerosa in Schach hält. Für diesen Mann war klar, dass auch Einzelfälle zählen. Andere beschwerten sich über die aggressiven Kommentare aus dem Publikum. Beim anschließenden Essen stand ich dann irgendwann neben dem Herrn Lokalpolitiker-Arzt-Biochemiker, der allerdings selbst im persönlichen Gespräch hartnäckig blieb. Er hatte ein großes Problem damit, vor dem Vortrag nichts von unserer Studie gewusst zu haben. Den Vogel schoss er dann mit seiner Behauptung ab, Patientinnen würden unter ketogener Ernährung eine Ketoazidose entwickeln. Doch es kam noch schlimmer: Im Nachgang erfuhr ich, dass er sich darüber mokierte, ich hätte eine „KZ-Studie“ vorgestellt. Ein eindeutiger Beleg, dass er sich nicht einmal bemüht hat, etwas über Wilhelm Brünings und dessen Studie aus dem Jahr 1941 nachzulesen. Diese fand in Brünings‘ Privatklinik statt, und letzterer betont explizit die Wichtigkeit der ausreichenden Kalorienzahl für seine Patienten (wie man im Original [1] oder in meinem Übersichtsartikel dazu nachlesen kann [6]).

Insgesamt war dieser Abend das beste Beispiel für den fundamentalistischen Charakter eines Keto-Skeptizismus, den man – wenn auch etwas abgeschwächt – auch in der Fachliteratur finden kann. Der fundamentalistische Skeptizismus argumentiert gegen eine ketogene Ernährung bei Tumorpatienten anhand von Behauptungen, die nicht mit Daten belegt werden können. Das angebliche Herbeiführen einer Ketoazidose bei nicht-Typ I Diabetikern, die Notwendigkeit einer gewissen Menge an Kohlenhydraten in der Ernährung oder das Herbeiführen eines kachektischen Zustandes sind Beispiele dafür. In einem aktuellen systematischen Übersichtsartikel, den ich zusammen mit meiner Masterstudentin Nanina Brehm und Reinhart Sweeney geschrieben habe, äußern wir uns zu diesem fundamentalistischen Skeptizismus und zeigen anhand der Daten dass er nicht begründbar ist [7].

Ganz aktuell berichtet die Diplom-Psychologin Ilona Bürgel von einem ähnlichen Erlebnis, als sie nach einem Vortrag auf dem europäischen Kongress für positive Psychologie heftig von einer Professorin attackiert wurde [8]. Auch sie hatte in diesem Moment kaum eine Chance, Dinge mit Argumenten richtig zu stellen. Doch auch sie nimmt aus diesem Erlebnis viel positives mit: Die Zufriedenheit darüber, gut vorbereitet gewesen zu sein und im Rahmen der nicht erwarteten heftigen Reaktion gut reagiert zu haben sowie die Verbundenheit mit den Menschen, die nach dem Vortrag positives Feedback gegeben haben. Das kann ich nur bestätigen und noch hinzufügen, dass mich dieses Ereignis umso mehr motiviert, weiter an dem Thema ketogene Ernährung für Tumorpatienten zu forschen, damit wir uns bei künftigen Diskussionen noch besser auf Daten stützen können.

Literatur:

[1]        Brünings W. Beiträge zum Krebsproblem. 1. Mitteilung: Ueber eine diätetisch-hormonale Beeinflussung des Krebses. Münchener Medizinische Wochenschrift 1941;88:117–23.

[2]        Khodabakhshi A, Akbari ME, Mirzaei HR, Mehrad-Majd H, Kalamian M, Davoodi SH. Feasibility, Safety, and Beneficial Effects of MCT-Based Ketogenic Diet for Breast Cancer Treatment: A Randomized Controlled Trial Study. Nutr Cancer 2019;0:1–8. doi:10.1080/01635581.2019.1650942.

[3]        Klement RJ. Erheblicher Schaden für den Patienten durch Kohlenhydaratarme Ernährung. Wo ist die Evidenz? Leserbrief zum Beitrag “Krebsdiäten”, FORUM 2014.29;400-404.

[4]        Klement RJ. Beneficial effects of ketogenic diets for cancer patients: a realist review with focus on evidence and confirmation. Med Oncol 2017;34:132. doi:10.1007/s12032-017-0991-5.

[5]        Klement RJ. Ungerechtfertigte Empfehlungen zur ketogenen Diät. Urologe 2018;57:605–6. doi:10.1007/s00120-018-0632-4.

[6]        Klement RJ. Wilhelm Brünings’ forgotten contribution to the metabolic treatment of cancer utilizing hypoglycemia and a very low carbohydrate (ketogenic) diet. J Tradit Complement Med 2019;9:192–200. doi:10.1016/j.jtcme.2018.06.002.

[7]        Klement RJ, Brehm N, Sweeney RA. Ketogenic diets in medical oncology: a systematic review with focus on clinical outcomes. Med Oncol 2020;37:14. doi:10.1007/s12032-020-1337-2.

[8]        Bürgel I. Vom Nutzen ungerechtfertigter Kritik. MTA Dialog 2020;21:110–1.

7. Symposium der EMG

Das diesjährige Symposium der Gesellschaft für evolutionäre Medizin und Gesundheit e.V. (EMG) findet in Würzburg statt. Es unterscheidet sich zu den in den Vorjahren durchgeführten Symposien dadurch putty , dass es in ein dreitägiges Symposium eingebettet ist, und sich somit mehr Zeit zum Austausch und eine breitere Palette an Themen ergibt. Der Schwerpunkt liegt dieses Jahr auf der ketogenen Ernährung und ihrer Anwendung bei verschiedenen Krankheitsbildern wie z.B. Alzheimer, Autismus, Migräne oder Krebs. Dies zeigt, dass die ketogene Ernährung weit mehr Potential besitzt als ihre klassische Anwendung bei Epilepsie andeutet. Auf dem klassischen EMG Symposium, wird es dann auch noch einen Vortrag zur carnivoren Ernährung, quasi einer Sonderform der ketogenen Ernährung, von Amber O’Hearn aus den USA geben. Drei weitere Vorträge beschäftigen sich dann mit den Gemeinsamkeiten von traditioneller chinesischer und evolutionärer Medizin. Zum Abschluss gibt es drei Vorträge, die sozusagen über den Tellerrand hinaus blicken und sich mit Spiritualität und Wissenschaft (Prof. Dr. Harald Walach), der möglichen Evolution von Leben im Universum allgemein (Prof. Dr. Dirk Schulze-Makuch) und einer Hochdosis-Vitamin D Therapie gegen Multiple Sklerose (Dr. Dirk Lemke) beschäftigen.

Das Symposium startet am Freitag, 20. September mit praktischen Vorträgen, die sich speziell auch an Ernährungsberater(innen) richten. Am Samstag tragen dann viele internationale Referenten zum Thema ketogene Ernährung vor. Am Sonntag schließlich findet das traditionelle EMG Symposium statt, auf dem auch einige Firmen mit interessanten Produkten ausstellen werden. Hauptsponsor für alle drei Tage ist die Firma Dr. Schär. Fortbildungspunkte für Ärzte wurden von der Byerischen Landesärztekammer genehmigt.

Infos zum Programm, den Preisen und der Anmeldung gibt es unter https://evolution-medizin-gesundheit.org/2019/03/19/symposium-2019-der-emg/.

Comments to my realist review on ketogenic diets for cancer patients

Recently, I had the honor to correspond with Dr. Prasanta Bandyopadhyay about my realist review of ketogenic diets (KDs) for cancer patients (Beneficial effects of KDs for cancer patients (Klement 2017)). Dr. Bandyopadhyay is a professor of Philosophy in the Department of History, Philosophy, and Religious Studies at Montana State University, USA (check out his homepage here). Together with Gordon Brittan Jr. and Mark L. Taper he has written one of the most inspiring books I have recently read: Belief, Evidence and Uncertainty – Problems of Epistemic Inference. In my review, I had taken the concepts of evidence and confirmation developed in this book to summarize the available evidence for any putative anti-tumor effects of KDs in cancer patients and whether we should believe that such effects are “real” (in the sense of occurring in real world settings). Weiterlesen

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